Ich war noch nie so verletzlich, so nackt, so offen und so verwundbar wie in meiner Rolle als Mutter. Schon in der Schwangerschaft fing es an, dass ich nicht mehr Herrin über meinem Körper war. Fremde Menschen berührten ungefragt meinen Bauch, fragten, in welcher Woche ich sei. Kommentierten meinen Umfang: „Ach noch so früh und schon so ein dicker Bauch!“, „Das wird bestimmt ein Mädchen/Junge!“, „das werden mindestens Zwillinge!“, „haben sich da nicht mehr versteckt?“ (…) und immer so weiter. Als hätte ich mein Recht auf Privatsphäre und Unantastbarkeit mit Schwangerschaftsbeginn abgegeben. Alles wurde plötzlich beurteilt und bewertet. Ich machte zu viel Sport (oder zu wenig), ich aß zu viel (oder zu wenig), ich ruhte mich zu viel (oder zu wenig) aus, sollte unbedingt noch zur Arbeit gehe, oder direkt zu Hause bleiben. Meine privaten Themen, waren plötzlich öffentlich diskussionswürdig und so viele Leute hatten etwas dazu zu sagen. Oft, als wäre ich gar nicht mit im Raum.

Und das in einer Zeit, in der sich mein ganzes Leben veränderte. Mein Körper, meine Hormone, meine Gefühle mir nicht mehr vertraut waren. Ich wie eine Schiffsbrüchige Halt suchte. Stattdessen bekam ich unerwünschte (gerne widersprüchliche) Ratschläge, die die Wellen auf meiner See nur noch höherschlagen ließen. Ich war verunsichert, einsam und traurig

ich war mir so sicher, dass mit Geburt meiner Kinder alles anders wird

Schließlich hatte ich so viele Ratgeber gelesen. Ich fühle mich so gut vorbereitet. Ich war mir so sicher, was ich für eine Mutter sein würde, dass andere sehen würden, wie sehr ich mich anstrengte und wie gut ich das machte.

Doch natürlich kam es anders: Schon im Wochenbett gab es Streit innerhalb der Familie, wer wann die Kinder besuchen könne und mir sehr nahestehende Personen verzichteten schließlich komplett darauf, weil sie so enttäuscht von mir waren. Ich fühlte mich hundeelend- wie konnte denn bereits in diesen ersten Tagen so viel schieflaufen? Und das, wo ich so unbedingt alles „richtig“ machen wollte?

diagnose schreibaby

Und es wurde nicht besser. Meine Babys verhielten sich einfach nicht so, wie die Kinder aus der Werbung. Sie schliefen kaum, und uns wurde ein „Schreibaby“ attestiert. Was sollte ich jetzt mit dieser Information anfangen?

Meine Freundinnen aus dem Geburtsvorbereitungskurs hatten wenig Verständnis- ich konnte mit meinen Zwillingen einfach nicht an ihrem Alltag teilhaben. Es war für mich undenkbar, auch nur zum Bäcker auf einen Kaffee mitzukommen, ließen sich meine Kinder doch kaum ablegen. Ich schuf mir zuhause ein einsames Reich, in dem ich klar kam. Ich liebte meine Federwiege (mit Motor) die meinen Armen ab und zu eine Pause verschaffte. Ich konnte hier ganz in Ruhe beide Kinder stillen, hatte dafür mein großes Zwillingsstillkissen, ich hatte meine Ruhe und war vor Blicken und Kommentaren geschützt.

Und trotz allem, hatte ich eine wunderschöne Zeit mit den meinen Kindern. Wir waren in unserer kleinen heilen Blase und genossen es, uns einfach besser kennenzulernen. So verging das erste Jahr: Die Tage zogen sich lang wie Kaugummi, rückblickend verflog es aber gerade zu.

meine kinder wurden älter

Und je älter meine Kinder wurden, desto mehr hagelte es Kommentare, über meine Erziehung. Ihr Verhalten stand in direktem Verhältnis zu meiner Leistung als Mutter. Ich lernte nachts, bildetet mich weiter, sammelte Wissen als Fundament für meinen Erziehungsstil an- um den Kommentaren sicherer begegnen zu können. Um mich nicht mehr verurteilt zu fühlen. Um Menschen davon zu überzeugen, dass ich einen guten Job machte.

Doch das gelang mir nicht. Ich musste feststellen, dass die wenigsten ein echtes Interesse hatten, zu verstehen, warum ich Dinge tat, wie ich es tat. Warum ich meine Kinder nicht bestrafte für Wutausbrüche, sondern diese geduldig begleitetet. Warum ich meinem Kind keinen Klaps auf die Hand gab, weil es sein Geschwisterchen gehauen hatte. Ich musste feststellen, dass selbst die logischste Argumentation: Ich kann meinem Kind doch nicht beibringen, dass man nicht haut, in dem ich es selbst haue?!“, nicht bei meinem Gegenüber ankam.

Und erst jetzt, viel später, weiß ich, dass manche Menschen randvoll sind mit ihren eigenen Glaubenssätzen, Meinungen, Überzeugungen und Erfahrungen. Dass für meine Wahrheit gar kein Platz mehr ist- egal wie viel Wissen, Fakten, Studien, Experten ich aufführe.

Heute prüfe ich, ob da ein echtes Interesse ist und wenn nicht, dann mache ich diese Tür freundlich zu: „Danke habe ich gehört. Wir machen das anders.“

Heute mache ich meinen Wert als Mutter nicht mehr abhängig vom Verhalten meiner Kinder. Ich begleite sie bestmöglich, zeige und entwickle mit ihnen Werte, gebe ihnen einen sicheren Rahmen und Orientierung für ihre Bedürfnisse- aber sie sind eigenständige Individuen, die lernen und ihre eigenen Erfahrungen machen dürfen, auch, wenn diese mal unbequem sind.


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